Rechte Strukturen in Bayern

In den Jahren 2008 bis 2014 hatte sich das sogenannte "Freie Netz Süd" (FNS) zu einem bedeutenden Netzwerk neonazistischer Kameradschaften in Bayern entwickelt. Bei Kameradschaften handelt es sich mehrheitlich um regionale Zusammenschlüsse von Neonazis, die sich oft als Reaktion auf das Verbot von neonazistischen Organisationen in der Vergangenheit gebildet haben, wie beispielsweise der Fränkischen Aktionsfront (FAF), einer Art Vorgängerstruktur des FNS. Noch heute spielen Gruppen aus diesem Spektrum in Bayern eine wichtige Rolle. Ziel des FNS war es, neonazistische Gruppierungen bayernweit zu vernetzen und so nicht zuletzt neben dem Informationsaustausch auch eine Plattform zur Mobilisierung zu schaffen.

Am 23. Juli 2014 verbot das Bayerische Staatsministerium des Innern, für Bau und Verkehr das FNS. Vorausgegangen waren dem Verbot unter anderem Haus- und Wohnungsdurchsuchungen bei führenden Kadern des FNS. Dabei wurde auch die Infrastruktur hinsichtlich der Finanzierung der Aktivitäten des FNS zerschlagen, die maßgeblich mit einem Versandhandel in Oberfranken zusammenhing.

Die bayerische neonazistische Szene, insbesondere die ehemaligen Kameradschaften aus dem Umfeld des FNS, haben ihre Aktivitäten inzwischen weitgehend unter das Dach der Partei Der Dritte Weg (Der III. Weg) verlagert. Diese 2013 von ehemaligen Anhänger*innen der NPD sowie der Kameradschaftsszene gegründete Partei steht klar in der Tradition des historischen Nationalsozialismus und ist mittlerweile in mehreren Bundesländern aktiv. Sie tritt insbesondere durch große Aufmärsche (beispielsweise zum 1. Mai), Spontankundgebungen und einzelne Veranstaltungsformate in Erscheinung, die auf eine Festigung der Szenestrukturen sowie eine weltanschauliche Selbstvergewisserung abzielen. Zudem tritt diese Partei punktuell immer wieder durch Plakat- und Flyeraktionen mit menschenverachtenden Inhalten in Erscheinung. Mit "DIE RECHTE" ist eine weitere neonazistische Kleinstpartei auch in Bayern aktiv, deren Anhänger*innen sich bereits mit der Auswahl des Gründungsdatums für den Kreisverband München eindeutig positionierten. Diese fand 2014 statt und wurde auf den 20. April gelegt – dem Geburtsdatum Adolf Hitlers.

Doch nicht nur die parteilich organisierte neonazistische Szene spielt in Bayern eine wichtige Rolle. Aussehen, Erscheinungsformen und Argumentationsmuster haben sich in den vergangenen Jahren stark gewandelt. Für junge Menschen besteht die Gefahr insbesondere darin, dass Bereiche unterwandert werden, die auf den ersten Blick mit dem historischen Nationalsozialismus nichts zu tun haben. Über soziale Netzwerke, Chatrooms und einschlägige Online-Plattformen verbreiten sich derzeit insbesondere solche Inhalte, die von den sogenannten Neuen Rechten gezielt in Umlauf gebracht werden. Anstelle des "klassischen Rassismus" tritt häufig der sogenannte "Ethnopluralismus". Dieser ist dadurch gekennzeichnet, dass er nicht die Abstammung, sondern die vermeintliche Zugehörigkeit zu einer Kultur zum Kriterium dafür macht, ob ein Mensch oder eine Gruppe als "fremd" oder "dazugehörig" definiert wird.

Zu den bekanntesten Gruppierungen zählt dabei die "Identitäre Bewegung" (IB). Die IB versteht sich als 'neurechte europäische Jugendbewegung'. Ihre Ursprünge liegen in Frankreich. Seit Ende 2012 ist sie auch in Deutschland aktiv. Hier war sie zu Beginn fast ausschließlich in sozialen Netzwerken anzutreffen. Ab 2015 nahmen die Aktivitäten auf der Straße zu. Mit der Besetzung des Brandenburger Tors im August 2016 schaffte es die IB in viele Medien und konnte ihren Bekanntheitsgrad steigern. Ihr zentrales Thema ist "Der große Austausch", ein vermeintliches 'Aussterben der Deutschen durch bewusst herbeigeführte Zuwanderung'. Wichtige Feindbilder der IB sind einerseits die liberalen Demokrat*innen, andererseits Flüchtlinge, Migrant*innen und Muslime. In Bayern sind die Strukturen der IB relativ schwach. Handlungsfähig sind sie überwiegend im südlichen Oberbayern.

NSU (Nationalsozialistischer Untergrund)

Beim NSU handelt es sich um eine terroristische rechtsextreme Vereinigung, die Ende 2011 öffentlich bekannt wurde. Sie wird auch als "Zwickauer Zelle" bezeichnet. Ihren Mitgliedern Beate Zschäpe, Uwe Mundlos († 4.11.2011) und Uwe Böhnhardt († 4.11.2011) werden unter anderem der Mord an acht türkischstämmigen Kleinunternehmern, einem Griechen und einer Polizeibeamtin sowie mehrere Banküberfälle bzw. ein Nagelbomben-Attentat in Köln zur Last gelegt. Drei der Morde wurden in Nürnberg begangen – zwei weitere in München

Erst im November 2011 endete die Serie von Morden und Überfällen, als ein Bankraub in Eisenach fehlschlug. Mundlos und Böhnhardt wurden in der Folge in dem Wohnmobil, in dem sie sich versteckt hatten, tot aufgefunden. Nach der Festnahme von Beate Zschäpe tauchten mehrere DVDs mit einem Video zu den Mordfällen bei diversen Zeitungen, islamischen Einrichtungen und Polizeidienststellen auf. Im Video wurden sich über die Opfer lustig gemacht.

Am 6. Mai 2013 begann vor dem Oberlandesgerichts München der Prozess gegen Beate Zschäpe und weitere Beschuldigte, u.a. wegen des Verdachts der Gründung einer terroristischen Vereinigung im Zusammenhang mit dem NSU. Am 11. Juli 2018 wurde das Urteil gegen die Angeklagten verkündet. Beate Zschäpe wurde zu lebenslanger Haft verurteilt. Die anderen Angeklagten erhielten zum Teil mehrjährige Haftstrafen. Die Urteile sind zu dem Zeitpunkt, zu dem die Aktualisierung dieser Internetseite abgeschlossen ist, noch nicht rechtskräftig, da einige der Angeklagten Berufung eingelegt haben.